Der Horus-Name

Hat man sich ein wenig mit Cheops, Königsnamen und Hieroglyphen beschäftigt und betrachtet die bei Sitchin abgedruckten Zeichnungen ein wenig genauer, wird man unweigerlich über eine unscheinbare Symbolfolge stolpern. So musste ich laut lachen, als ich sie unerwartet fand.

Mededu hieratisch
Fig. 1 - Horusname hieratisch

Diese Symbolkette, die man zum Beispiel in Sitchins Stufen zum Kosmos auf Abbildung 145 a (links oben, auf dem Kopf stehend) sehen kann, darf es dort eigentlich überhaupt nicht geben, wenn Sitchin Recht hat. Oder, anders herum, ihre Anwesenheit bedeutet das endgültige Ende der Fälscher-Theorie.
Diese Symbolkette stellt einen Namen von Cheops dar, der im Jahre 1837, als die Inschriften gefunden wurden, überhaupt nicht bekannt war. Nicht nur das, zu der Zeit wusste man noch nicht einmal, dass es sich um einen Namen handelt.
Der hier dargestellte Name lautet "Mddw" und ist der sogenannte Horus-Name des Königs.


Mededu
Fig. 2 - Horusname
hieroglyphisch

Die Pharaonen führten mehrere Namen. Die voll entwickelte Titulatur sah insgesamt 5 Namen vor, dazu hatte jeder Pharao noch einen Stapel an Titeln.
Die wichtigsten Namen waren der Geburts- oder Eigenname und der Thronname, diese fand man Gewöhnlicherweise in Königslisten und Dekreten vor. Beide Namen waren "Kartuschen"-Namen, wurden also in die ovale Seilschlinge geschrieben, wie wir sie auf der Fälschungs-Seite gesehen hatten. Um Eigen- und Thronnamen auseinander zuhalten, stand eine Titulatur davor. Eine Gans mit einer Sonne (Sohn des Re) stand vor dem Geburtsnamen, während eine Binse und eine Biene (die Symbole für die beiden Landesteile Ägyptens) als Titel "König von Ober- und Unterägypten" dem Thronnamen voranstand.
Beide Namen waren nicht nur leere Lautgebilde, sondern hatten eine Bedeutung. Wichtig war natürlich der Name den sich der Pharao bei der Thronbesteigung selbst zulegte, denn er war eine Art politisches Programm ("Herr der Ordnung" oder "Der die Schöpfung wiederholt").
Nur: In der 4. Dynastie gab es diese Form der mehreren Kartuschennamen noch gar nicht. Cheops' Vater Snofru war wahrscheinlich der erste Herrscher, der überhaupt eine Kartusche um seinen Namen schrieb. Um seinen Geburtsnamen. Genau wie Cheops, Chefren, Mykerinos ...
Der erste Pharao mit je einem Karuschen-Geburts- und Thronname war Neferirkare, der dritte Pharao der 5. Dynastie, lange nach Cheops (die Namen kann man nachschlagen in J.v. Beckeraths Handbuch der ägyptischen Königsnamen, MÄS 49, Zabern 1999).
Und vorher? Nun, vorher hatte der Pharao einen Kartuschen-Eigennamen (der, um die Verwirrung zu komplettieren, häufig mit dem "Binsen-Biene"-Titel versehen war der später den Thronnamen vorstand) und einem nicht von einer Kartusche umgebenen Horus-Namen als Thronname! In den Königslisten des mittleren und neuen Reichs fand sich als einziger Name der Kartuschen- (also Geburts-)Name Chufus. Dies war der einzige Name unter dem man ihn zur Zeit von Howard Vyse kannte.
Der Thronname von Cheops, Mddw, bedeutet soviel wie "der Austeilende". Das ist nicht in gewalttätiger Weise gemeint, sondern als gütig Gaben austeilender Herrscher. Weder die Bedeutung noch die bloße Existenz war den Hieroglyphenexperten um 1840 bekannt. Birch, laut Sitchin der größte Hieroglyphenkenner seiner Zeit, hatte den Horusnamen vor Augen. Er hielt ihn für "irgendeinen Titel". Wie also sollte ein Fälscher diesen Namen kennen und auch noch schreiben können, wenn selbst der größte Hieroglyphenexperte der Welt nichts damit anfangen konnte?

Eine Erklärung wurde von Sitchin selbst gegeben: In den umliegenden Beamtengräbern seien ebenfalls Inschriften gefunden worden, und unter denen befand sich eventuell auch der Horusname. Der Fälscher hat ihn einfach kopiert ohne zu wissen, was er dort eigentlich anmalt.
Dummerweise ist mir aber kein Grab bekannt, in dem der Horusname auftaucht. Außerdem ist diese Idee auch aus einem anderen Grunde unhaltbar: wenn man nämlich die Umstände betrachtet und die Schriften in ihrem Kontext sieht. Sie erfüllten einen Zweck, nämlich die Zuteilung spezifischer Blöcke zu bestimmten Arbeitsgruppen. Wie man aufgrund der Funde in den Arbeitergräbern weiß, arbeiteten an der Pyramide vier Teams, von denen jeweils eines für eine generelle Himmelsrichtung verantwortlich war.
Die Inschriften in den Pyramidenkammern scheinen genau diese vier Teams (Phylen) zu bezeichnen und die lauten nach Alan Rowe (Übersetzung FD):

Der Witz ist, dass diese Teamnamen jeweils einen Königsnamen an einer genau definierten Stelle haben. Einmal "Chufu", einmal seine verlängerte Namensform "Khnum-Chufu" - und zweimal den Horusnamen! Der Schreiber dieses Textes wusste also genau, was diese Zeichenkette war und wie man sie korrekt in einen Phylennamen einbauen konnte! Für Sitchins auserwählten Fälscher, einen Hotelier ohne jede Hieroglyphenerfahrung, ein Ding der Unmöglichkeit.
Als letzte Möglichkeit bliebe noch der Ausweg, dass beide Phylennamen schon vorher gefunden wurden. Dies ist aber nicht der Fall, außerhalb der Großen Pyramide tauchten entsprechende Namen nur in den Arbeitergräbern auf, die erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts gefunden wurden!

Weitere Schwachpunkte

Auszug aus Vyses Journal
Fig. 3 - Auszug aus Vyses Journal
Bild Marin Stower

Sitchins Argumentation weist noch andere Schwachstellen auf die ich hier kurz anreißen möchte. So ist da zum Beispiel Vyses Journal.
Dieses lagert heute im Britischen Museum, kann aber auch eingesehen werden. Martin Stower, den ich ja schon erwähnte, hatte Gelegenheit, die wichtigen Seiten um das Datum der Entdeckung herum zu fotokopieren. Freundlicherweise stellte er sie auch mir zur Verfügung.
Laut Sitchin ging Vyse davon aus, daß der Name "Chufu" mit einer Sonnenscheibe geschrieben wurde. Und daher habe der Fälscher das auch so eingemalt. Vyses Journal erzählt aber eine ganz andere Geschichte:
Am 27. Mai 1837 findet man den ersten Eintrag, der die Chufu-Kartusche zeigt. An den folgenden Tagen beginnt Vyse mit einer Analyse. Und wenn man es schafft, seine Sauklaue zu entziffern so stellt man fest: Ja, Vyse war kein Hieroglyphenexperte, und vertraute daher dem druckfehlerbewehrten Buch von Wilkinson, welches er auch vorliegen hatte. Und weil er dem Buch glaubte, erwartete er eine Sonnenscheibe als erstes Zeichen im Königsnamen!!! Deswegen konnte er mit dem vorgefundenen Schriftzeichen, dem Kreis mit den Strichen, überhaupt nichts anfangen!!! Deswegen brütete er höchstpersönlich im nebenstehenden Ausschnitt darüber nach, ob man ein "Re" vielleicht auch mit Strichen schreiben könnte, und wenn nicht, warum denn ein so damisches Zeichen da drin steht. Den fehlerhaften Wilkinson-Ausschnitt, den Vyse für die korrekte Schreibweise hält, hat er links oben aufgemalt, deutlich ist die leere Sonnenscheibe erkennbar. Rechts schreibt er, dass die leere Scheibe auch als Kreis mit Punkt dargestellt wird (kleiner, oberer Kreis) und er eine von beiden Inschriften erwartet habe, und stellt dann fest, dass er aber eben einen Kreis mit 3 Strichen fand, was er mehrfach nachprüfte. Und was gegen Wilkinsons Lehrbuch spricht. Vyse bestätigte also nicht die damalige Fachliteratur, sondern fand etwas was dieser konträr entgegen stand, und womit er nicht klar kam! Ich würde sagen, ein klassisches Eigentor Sitchins!


Markierung Chephren-Mastaba
Fig. 4 - Bauarbeiter-Graffity
auf Kafres Mastaba

Sitchin bezweifelt außerdem, dass die Ägypter tatsächlich Bauarbeiter-Inschriften in roter Farbe anfertigten. Und auch, dass diese die Jahrtausende so frisch überlebt hätten wie in der Pyramide zu beobachten ist.
Ein Besuch in Ägypten belehrte mich eines Besseren: Überall unter dem Staub und Geröll der alten Bauten kann man Blöcke finden, die Steinbruchmarkierungen in roter Farbe tragen. Die hier abgebildete stammt von einem Block der Mastaba von Cha-ef, der Sohn Chufus der mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit als Chephren (Cha-ef-re) die zweiter große Pyramide in Gizeh baute. Die Markierung ist daher mindestens ebenso alt wie die Cheopspyramide. Und wahrscheinlich schon seit langer Zeit der Verwitterung ausgesetzt. Und immer noch deutlich und frisch sichtbar.
Im Jahre 1999 waren die Ausgrabungen an der roten Pyramide soweit gediehen, dass geborgene Verkleidungs- und andere Baublöcke der roten Pyramide in einigen Arealen neben der Pyramide zusammengetragen worden waren - ein jeder mit deutlichen roten Beschriftungen, ganz genau wie in der Cheopspyramide. Diese Form der Beschriftung war offensichtlich nichts besonderes, wie Sitchin weiszumachen versucht, sondern Standardverfahren!
In letzter Zeit werden von Seiten alternativer Pyramidenforscher immer wieder Forderungen aufgestellt, die Farbe zu datieren, um Zweifeln über deren Echtheit ein für alle male ein Ende zusetzen. Mit Radiocarbondatierung, oder durch chemische Analysen.
Diese Autoren scheinen leider noch nicht einmal Sitchin richtig gelesen zu haben. Denn dieser weist in Stufen zum Kosmos auf Seite 311 explizit selbst darauf hin, dass Analysen zwecklos seien, da man zu Vyses Zeiten dieselbe Farbe verwendete wie zur Zeit der Pyramdienbauer. Ocker. Ein Eisenoxid, welches in Ägypten häufig vorkommt. Durch und durch anorganisch und daher nicht datierbar.

Nachtrag

Inzwischen ist es geschehen. Im Jahr 2014 tauchten Bilder auf die belegen, dass sich im Jahre 2006 Unbekannte an der Cheops-Kartusche zu Schaffen machten und an einem halben Dutzend Stellen Farbspuren heraus meißelten. Wer das war, ob die Proben untersucht wurden und was die Resultate waren ist bis zum heutigen Tag unbekannt.
Bekannter geworden ist ein zweiter Fall. Im April 2013 kletterten zwei bekannte Privatforscher illegal in die oberste Entlastungskammer, und einer von ihnen nahm Proben[1] von einer Inschrift in der Ecke der Kammer. Ihr Ziel: zu beweisen, dass die Farbe modern ist und daher nicht von den Ägyptern stammen kann. Einer von ihnen, der Verschwörungsautor Stefan Erdmann, ist fester Überzeugung, dass die Ägypter mit dem Bau der (wahren) Pyramiden nichts zu tun haben können...
Im Herbst des Jahres gab nach Informationen des Schriftstellers Lars Fischinger[2] der Zweite Beteiligte, Dr. Dominique Görlitz, bei einem Kongress im sauerländischen Lennetal bekannt, dass die Analysen der Proben ergeben hätten, dass die Farbe modern sei. Das mit der Untersuchung beauftragte Fresenius-Institut dementierte dies aber, man habe mit der Untersuchung noch gar nicht angefangen.
Weitere Verwirrung löste bei mir die Bekanntmachung von Dr. Görlitz aus, man würde auch das Alter anorganischer Farbe mit neuen (ungenannten) Datierungsmethoden bestimmen können.

Die Vorgänge sowie die ins Internet eingestellten Interviews und Werbetrailer erregten auch internationales Aufsehen, und so erfuhr auch die ägyptische Antikenbehörde (SCA) davon – und man war wenig angetan von der Angelegenheit. Man ermittelte, nahm 6 ägyptische Helfer fest und verurteilte sie zu fünf Jahren Haft. Auch drei Deutsche – neben den schon Genannten auch den Chef des esoterischen Medienproduzenten Nuoviso, Frank Höfer, wurden in Abwesenheit dazu verurteilt. In Deutschland wurde auch ermittelt, gegen alle Drei wurden Strafbefehle erlassen, die Farbproben mussten an Ägypten überstellt werden. Was mit dieser geschah ist bis zum jetzigen Zeitpunkt – August 2015 – unbekannt. Das Fresenius-Institut gab aber vorher beknnt, dass die Probe zu klein für sinnvolle Analysen war.
Als Fazit dieser ganzen Aktion konnte Stefan Erdmann auf einem weiteren Kongress in Lennestadt im August 2015 nur mitteilen, das er nach optischer Untersuchung zu dem Schluss gekommen sei, dass Howard Vyse im Jahre 1837 zweifelsfrei Manipulationen an der Kartusche vorgenommen habe. Na ja.

Neben der Probe der Inschriften entnahmen die drei Abenteurer auch Proben von der Decke der Königskammer. Diese gaben sie nicht zurück und ließen sie beim Fresenius-Institut untersuchen, und erstellten auf dieser Basis eine neue Pyramidenbau-These. Diese wird an einer anderen Stelle besprochen werden, im Kapitel „Pyramidenbau“.

Anmerkungen:
[1] Ich war über die Probenahme, die in einem Werbevideo zu sehen war, ziemlich entsetzt, denn um etwas mit der Radiokarbon-Methode datieren zu können muss darauf geachtet werden, dass die Kontamination mit modernem Kohlenstoff minimal ist. Dazu werden sterile Werkzeuge verwendet, und die Proben von tief unter der Oberfläche des zu datierenden Objekts genommen. Das ist in den Kammern alleine schon kaum möglich, da sie über und über mit dem Ruß der Leuchtmittel von Besuchern der letzten 200 Jahren bedeckt sind.
Weiterhin werden die Proben in sterilen, chemisch inerten Gefäßen transportiert, in der Regel Glasdöschen. Dr. Görlitz hingegen ging mit bloßen Händen und unsterilem Werkzeug an die Entnahme, und ließ die Probe in ein Texil-Tuch fallen, um es anschließend in einer Plastiktüte zu transportieren. Dadurch ist jeder Versuch einer Datierung zum Scheitern verurteilt.
Später tauchten Alibi-Fotos der Proben in Glasdöschen auf, um zu zeigen, dass alles ganz korrekt gehandhabt worden sei, aber die Bilder der inzwischen gelöschten Werbevideos sprechen eine andee Sprache.
[2] SMS direkt vom Kongress
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Alle Bilder und Texte © Frank Dörnenburg