Die Orion-Corellation-Theorie

Im Jahre 1994 löste das Buch Das Rätsel des Orion (The Orion Mystery) von Robert Bauval und Adrian Gilbert einen Aufruhr in der Fach- und Laienwelt aus wie kaum ein populärwissenschaftliches Buch zuvor. Kein Wunder, erhebt es doch bereits auf dem Cover den Anspruch "Nach mehr als 4000 Jahren wird das Geheimnis der Pyramiden gelöst". Die These, die das erreicht haben will, wird inzwischen als Orion Correlation Theory oder kurz OCT bezeichnet.
Obwohl von zwei Autoren veröffentlicht, ist die These doch im wesentlichen die Arbeit von Robert Bauval, der sie auch heute noch vertritt und den ich deshalb auch vorrangig erwähnen werde. Er meint, speziell ein Rätsel gelöst zu haben, das seit Jahrzehnten heiß in der Öffentlichkeit diskutiert wird:
Ist die Plazierung der Pyramiden Zufall? Oder gibt es einen "Großen Plan"? Seit vielen Jahrzehnten wird darüber diskutiert. Zentrum des Interesses sind (natürlich) die drei Pyramiden in Giza. Zu ihnen gibt es unzählige Thesen, die "heilige Geometrien" oder ähnliches herausarbeiten, die die Basis der Pyramidenplanung gewesen sein soll. Beispiele finden Sie im Pyramidenrätsel-Teil. Alle diese Thesen kranken allerdings daran, dass es nicht den geringsten Beleg dafür gibt, dass die Ägypter die notwendigen mathematischen Kenntnisse besaßen. Diese Modelle daher blanke Spekulation.
Bauval und Gilbert verankern ihr Plazierungsmodell in der ägyptischen Mythologie. Als Resultat ihrer Forschung kommen sie zu dem Schluss, dass die Unterwelt der Ägypter zur Pyramidenzeit, die Duat, in den Sternen des südlichen Sternhimmels zu finden ist. Die Plazierung der Pyramiden entspricht genau der Position der Sterne, die für die Pharaonen wichtig gewesen sind.

Der verstorbene Pharao - später auch normale Leute - wurden im Tode zum Gott Osiris. Dieser Osiris hatte eine himmlische Repräsentation, das Sternbild Sah, welches wir heute als Orion kennen. Da nun jeder Tote eine Sternenseele hatte konnte jeder tote König ein Stern im Sternbild des Orion werden, und so wurden die Pyramiden so platziert, dass sie den Stern darstellten zu dem der tote Pharao wurde.
Später mußte die Sternenreligion allerdings einem neuen Sonnekult weichen, weswegen das klare Orionmuster durch die späteren, nicht mehr an Orion orientierten Bauten der späten 5. und der 6. Dynastie verwässert wird.
Das deutlichste Indiz für diese These ist der Vergleich zwischen den markantesten Sternen des Orion, dem sogenannten Gürtel, und der Anordnung der Giza-Pyramiden. Laut Bauval kann man sich das so vorstellen:

Pyramiden von oben plus Oriongürtel
ist gleich Orion und Pyramiden
Fig. 1 - Orion und Pyramiden nach Bauval/Gilbert

Schaut man auf ein Bild der Pyramidenanordnung in Giza, und vergleicht dies mit dem Oriongürtel - drei markanten Sternen genau in der Mitte des Sternbilds Orion - stellt man eine verblüffende Übereinstimmung fest. Drei Sterne, einer davon abweichend von der Diagonalen, und drei Pyramiden, bei denen eine ebenfalls von der gemeinsamen Diagonale abweicht. Und zur Deckung gebracht überlagern sich Pyramiden und Sterne geradezu perfekt.

Den Autoren fielen noch mehr Übereinstimmungen auf, die eigentlich keine Zufälle sein können:

Orion Pyramiden
Fig. 2 - Sterne und weitere Pyramiden, nach Bauval/Gilbert

 

Ziele der Schächte
Fig. 3 - Ziele der Schächte, nach Bauval/Gilbert

Probleme

Die These hat aber auch einige Probleme. So stimmt die Neigung des Oriongürtels zur Zeit des Pyramidenbaus nicht mit der Neigung der Pyramiden gegenüber dem Äquator überein. Bauval folgerte daher, dass die Planung des Baus zu einer anderen, früheren Zeit stattfand. Mit Hilfe eines Astronomieprogramms entdeckte Bauval, die gesuchte Übereinstimmung um das Jahr 10500 v. Chr. herum auftrat.
Auch die übrigen Sterne hatten zu dieser Zeit ihre beste Deckung mit den Pyramiden, so dass die Autoren zu dem Schluss kamen, dass der Bauplan der Pyramidenanlage kurz nach dem Ende der letzten Eiszeit erstellt worden sein muss. Die Schächte in der großen Pyramide hingegen weisen zu den Positionen der Sterne, die diese um das Jahr 2400 v. Chr. einnahmen. Planungs- und Baudatum der Pyramiden liegen demnach also rund 8000 Jahre auseinander!
Auch das "Schacht-Alter" wirft Probleme auf, denn die herkömmliche Ägyptologie neigt momentan eher zu einer älteren Datierung der Pyramiden als zu einer Verjüngung der Anlagen.

Eine solche These mit so weitreichenden Konsequenzen, dazu noch von einem ägyptologischen Laien, ruft natürlich Widerspruch in der Fachwelt hervor. Schon früh fanden Kritiker heraus, dass die Pyramidenpositionen weniger perfekt sind als zu erwarten. Und das bestimmte Neigungswinkel, die die These benötigt falsch sind, dass die These innere Inkonsistenzen besitzt was Himmelsrichtungen angeht und vieles mehr.
Das sind aber eigentlich zweitrangige Probleme, denn zuerst sollte untersucht werden, ob die Verankerung der Orion-Geschichte in der ägyptischen Mythologie überhaupt bis in die Zeit der Pyramidenbauer zurückzuverfolgen ist. Denn erste Untersuchungen meinerseits zeigten hier schwerwiegendere Probleme.

Die folgende Untersuchung der Orion-Theorie wird daher zweiteilig sein. Zuerst untersuche ich die kulturelle Verankerung der These durch ihre wichtigsten Punkte

untersuchen.
Im zweiten Teil werde ich die "herkömmliche" Argumentation bezüglich der Punkte

besprechen. Dieser zweite Teil entspricht weitgehend der Orion-Untersuchung von meiner alten Homepage, ist aber um einigen Punkten (Milchstraßenverlauf) erweitert worden.
Eine Warnung vorab: Speziell der erste Teil ist aufgrund des verwickelten Weltbilds der Ägypter wirklich schwieriger Stoff. Ich hoffe, es dennoch halbwegs verständlich erklärt zu haben.

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Alle Bilder und Texte © Frank Dörnenburg